Die Gewerkschaft Ver.di und die Verbraucherzentralen NRW und Thüringen haben ihre Stellungnahmen zur bevorstehenden Reform des Postgesetzes veröffentlicht. Das Wirtschaftsministerium hatte im Januar Eckpunkte der Gesetzesreform veröffentlicht und die Öffentlichkeit um Kommentare dazu gebeten.
Verdi & Verbraucherzentrale: Ja zu Automaten, aber ältere Kunden nicht vergessen
Verdi und die Verbraucherzentralen sind offen für Automaten (Poststationen) in Regionen, in denen Postfilialen nicht wirtschaftlich betrieben werden können.
Sie verweisen aber darauf, dass nicht alle Menschen mit Internet und Smartphone vertraut sind und sie trotzdem postalische Dienstleistungen nutzen können müssen. Die Verbraucherzentralen nennen als Negativbeispiel die appgesteuerten Packstationen, bei denen viele Kunden mit der Benachrichtigungskarte nicht klarkommen (Paketda berichtete).
Die Gewerkschaft Verdi hält die Pflicht zur Haustürzustellung für unerlässlich, weil mobilitätseingeschränkte Personen ihre Sendungen nicht in weiter Entfernung abholen können.
Verdi: Keine Mehrerlösabschöpfung bei Deutsche Post DHL
Das Wirtschaftsministerium plant, dem Marktführer Deutsche Post DHL in Zukunft unberechtigte Gewinne wegzunehmen ("abzuschöpfen"). Solche unberechtigten Gewinne sind beispielsweise das mutmaßlich überhöhte DHL-Paketporto, welches von Januar bis Ende April 2020 von Privatkunden verlangt wurde. Damals hatte DHL trotz Einwänden der Bundesnetzagentur eine Portoerhöhung vorgenommen und sie erst wieder zurückgenommen, als die Aufsichtsbehörde eine Untersuchung einleitete. Dennoch wurde das neue, teure Porto vier Monate lang kassiert.
Verdi spricht sich dagegen aus, unberechtigte Gewinne einzuziehen, "weil die Unternehmen der Branche notwendige Investitionen in die Infrastruktur zum Erhalt der Netze und des ökologischen Umbaus vor dem Risiko einer Rückzahlung nicht in dem notwendigen Maße durchführen werden."
Eine unverständliche Begründung, weil nicht "die Unternehmen der Branche" betroffen sind, sondern nur Deutsche Post DHL der Preisregulierung unterliegt. Außerdem entsteht ein Nachteil für Konkurrenten der Deutschen Post, weil diese keine (zu) hohen Preise durchsetzen können, um damit Gebäude und Fahrzeuge zu kaufen.
Verschiedene Liefergeschwindigkeiten: Verbraucherzentralen lehnen ab
Die Verbraucherzentralen finden eine Lieferzeit von 2-3 Tagen für Briefe "unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten akzeptabel und ausreichend." Zwei unterschiedliche Liefergeschwindigkeiten, bei denen schnelle Briefe mehr Geld kosten, lehnen die Verbraucherzentralen ab. Begründung:
"Für ein solches Angebot bliebe nur dann Raum, wenn die Laufzeiten des Standardbriefs erheblich erhöht würden, was (...) nicht im Interesse der Verbraucher:innen läge. Eine nicht bedarfsgerechte Verlängerung der Regellaufzeiten des Standardbriefs, um daneben einen Markt für einen schnelleren Brief zu schaffen, würde letztlich nichts anderes darstellen als eine Preiserhöhung durch die Hintertür. Zugleich würde der Standardbrief, ein wesentlicher Teil des postalischen Universaldienstes, zur Schneckenpost degradiert."
Die Gewerkschaft Verdi hat sich zu zwei Geschwindigkeitsstufen nicht klar geäußert. Sie verlangt nur "eine hohe Pflichtquote bei einer Laufzeit von Briefsendungen über zwei oder drei Tage" und dass Zusteller/innen weiterhin von Montag bis Samstag beschäftigt werden. Außerdem dürfen abgesenkte Laufzeitvorgaben nicht dazu führen, dass Zeitungen und Zeitschriften verspätet zugestellt werden.
Verbraucherzentrale: Stärkung von Empfängerrechten
Die Verbraucherzentralen NRW und Thüringen kritisieren, dass Kundenbeschwerden von Postdienstleistern "gar nicht oder nur mit unbefriedigenden Textbausteinen beantwortet werden. Empfänger:innen werden bei Nachforschungsaufträgen in der Regel darauf verwiesen, dass der Versender als Vertragspartner sich an den Paketdienstleister wenden müsse. In Einzelfällen wird laut Verbraucherbeschwerden gar die Vorlage von Abtretungsurkunden gefordert."
Weil die Post- und Paketdienste § 421 HGB ignorieren, wonach auch Empfänger Rechte aus einem Frachtvertrag geltend machen können, "sollte § 421 HGB bei Vorliegen eines Verbrauchervertrags (§ 310 Abs. 3 BGB) ausdrücklich zu zwingendem Recht erklärt werden."
Letzte Meile: Zustellung nur durch ein einziges Unternehmen
Die Verbraucherzentralen schlagen vor, dass bei Empfängern nur noch ein einziger Paketdienst am Tag klingelt. Auf der letzten Meile sollen alle Pakete gebündelt werden, um Lieferrouten zu optimieren und Synergieeffekte zu schaffen. Dadurch würden sich finanzielle Einsparungen ergeben und ein verringerter CO2-Ausstoß. Studien, die diese Thesen stützen, nennen die Verbraucherzentralen nicht.
Zu beachten ist nämlich ein zusätzlicher Sortierschritt für die Konsolidierung auf der letzten Meile, der Zeit- und Kostenaufwand verursacht. Eine weitere Schwierigkeit sind Expresspakete mit unterschiedlichen Zeitvorgaben. Außerdem müssen technische Schnittstellen geschaffen werden für Livetracking, Umverfügungen, Abholaufträge, etc. Aufwändig dürfte auch das Handling von Paketen sein, deren Empfänger nicht angetroffen wurden.
Die Verbraucherzentralen fordern obendrein, dass Abholstationen (Paketautomaten) und Paketshops für alle Anbieter geöffnet werden sollen. Sprich: Die Paketdienste sollen zur Kooperation gezwungen werden, weil sie es freiwillig nicht tun. Als Positivbeispiel nennen die Verbraucherzentralen die Hamburg Box, die in Wirklichkeit aber gefloppt ist.
Quellen:
- Verbraucherzentralen: PDF
- Ver.di: psl.verdi.de