Vor einem Jahr zeigte sich der Vorsitzende der Monopolkomission, Professor Jürgen Kühling, bitter enttäuscht von der alten Bundesregierung (siehe unten). Damals wurde nämlich die Reform des Postgesetzes verschleppt.
Jetzt dürfte sich Kühlings Stimmung aufhellen, denn viele Vorschläge der Monopolkomission wurden tatsächlich vom Wirtschaftsministerium aufgegriffen. Im reformierten Postgesetz soll Folgendes festgelegt werden:
- Wettbewerber dürfen Warensendungen bis 2 kg vorsortiert und zu ermäßigtem Porto bei der Deutschen Post einliefern (zurzeit nur bis 1 kg möglich).
- Regulierung soll verhindern, dass Amazons Marktmacht im Onlinehandel wettbewerbsverzerrend auf den Paketmarkt durchschlägt.
- Eine Mehrerlösabschöpfung soll verhindern, dass Postunternehmen missbräuchlich erwirtschaftete Gewinne behalten.
- Die Monopolkommission darf Einsicht in Verfahrensakten der Bundesnetzagentur nehmen.
Das größte, von der Monopolkommission angekreidete Ärgernis bleibt jedoch ungelöst: die Berechnungsformel fürs Briefporto. Sie wurde mittlerweile von zwei Gerichten als unzulässig eingestuft. Die Gerichtsverfahren könnten jahrelang weitergehen, wenn die Regierung das deutsche Briefporto nicht endlich in Einklang mit EU-Vorgaben bringt (Paketda berichtete).
Immerhin: Die Bundesregierung will verhindern, dass sich DHL eine Unverfrorenheit wie im Jahr 2020 erlaubt. Damals hatte DHL das Porto erhöht, obwohl die Bundesnetzagentur im Voraus Bedenken äußerte. DHL machte die Portoerhöhung am 1. Mai 2020 wieder rückgängig, nachdem die Bundesnetzagentur ein Ermittlungsverfahren startete wegen des Verdachts zu starker Portoerhöhung (Paketda berichtete). Künftig muss DHL Paketporto-Erhöhungen im Voraus der Bundesnetzagentur melden, so wie es im Briefbereich schon üblich ist.
Chef der Monopolkommission rechnet mit alter Bundesregierung ab
So berichtete Paketda im Dezember 2021
"Nicht mit Ruhm bekleckert", "äußerst ärgerlich", "einigermaßen problematisch". So beurteilt Professor Jürgen Kühling die Arbeit der deutschen Bundesregierung von 2017 bis 2021 in Bezug auf den Postmarkt. Kühling ist Vorsitzender der Monopolkomission; einem unabhängigen Expertengremium, das die Bundesregierung berät.
Die Monopolkomission hat zusammen mit dem Wirtschaftsministerium Vorschläge zur Belebung des Wettbewerbs auf dem Postmarkt gemacht. Doch der "hervorragende" Gesetzesentwurf schlummerte während der gesamten Legislaturperiode vor sich hin, so Kühling. Am Ende sei dann keine Zeit mehr für eine große Gesetzesreform gewesen. Er kenne das von seinen Studenten, die den Abgabezeitpunkt verpassten. Das ganze Verfahren fand er äußerst ärgerlich.
Die Bundesregierung habe sich laut Kühling nicht mit Ruhm bekleckert. Es wurde lediglich eine kleine Postnovelle auf den Weg gebracht, und "ärgerlicherweise stand dort vor allem etwas Gutes für die Deutsche Post AG drin".
Als "einigermaßen problematisch" betrachtet Kühling die Legalisierung der Postentgeltregulierungs-Verordnung. In der Verordnung steht die Formel zur Berechnung des Briefportos. Die Formel wurde vom Bundesverwaltungsgericht 2020 als unzulässig eingestuft (Paketda berichtete). Diesen rechtswidrigen Zustand beseitigte der Gesetzgeber nicht durch eine Korrektur der Portoformel, sondern durch eine Änderung des Postgesetzes, so dass "der Deutschen Post AG zusätzliche Einnahmen in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe verschafft" wurden, erläutert Kühling.
Die Monopolkommission setzt große Hoffnungen auf die neue Bundesregierung, die "mit frohem Mut" die Reform des Postgesetzes angehen möge. Im Briefbereich gibt es leider noch keine dynamische Wettbewerbs-Entwicklung wie im Paketmarkt. Durch Amazon ist sogar ein ganz neuer Wettbewerber hinzugekommen, der eine positive Rolle spielt und hohe Qualitätsanforderungen setzt.
Im Paketmarkt von Privat an Privat herrscht nach Einschätzung der Monopolkommission noch kein großer Wettbewerb. Deutsche Post DHL verfügt dort über 70% Marktanteil. Das Unternehmen profitiert u.a. von einer Umsatzsteuerbefreiung, die aus Sicht der Monopolkommission wettbewerbsverzerrend ist.
Quellen: monopolkommission.de | bundesnetzagentur.de
Weitere Aussagen von Jürgen Kühling während der Pressekonferenz (ab Minute 56:50 hier im Video).
Kleine Postreform
"Ich kenne das von meinen Studenten. Abgabezeitpunkt Ende der Legislaturperiode. Jetzt haben wir es leider nicht mehr geschafft, jetzt haben wir nur noch Zeit für eine kleine Postnovelle. Ärgerlicherweise stand dort überraschenderweise vor allem etwas Gutes für die Deutsche Post AG drin.
Es stand auch etwas Gutes für die Wettbewerber drin, die Preis-Kosten-Schere beispielsweise, aber vor allem ist dort etwas passiert, was aus unserer Sicht einigermaßen problematisch ist. Wir hatten eine Postentgeltregulierungs-Verordnung, die nicht im Einklang stand (...) mit dem darüber stehenden Gesetz.
Was hat jetzt der Gesetzgeber gemacht? Der hat nicht etwa die niederrangige Verordnung in Einklang mit dem Gesetz gebracht (...), sondern umgekehrt, hat den rechtswidrigen Zustand dadurch beseitigt, dass er das Postgesetz im Sinne der Postentgeltregulierungs-Verordnung angepasst hat und damit der Deutschen Post AG zusätzliche Einnahmen in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe verschafft.
Das halten wir für keine gute Lösung. Und wir hoffen, dass der neue Gesetzgeber mit frohem Mut an das Postgesetz geht. (...) Da gibt es ganz viele gute Mechanismen, wie wir den Wettbewerb im Postbereich, im Briefbereich weiter beschleunigen können."
Mehr Wettbewerb bei Warensendungen bis 2kg
"Ein Punkt ist besonders wichtig: Das ist der sogenannte Teilleistungs-Zugang. (Anmerkung: Private Briefdienste müssen Sendungen teilweise an die Deutsche Post übergeben, um ihre Dienstleistungen flächendeckend anzubieten.) Den Teilleistungs-Zugang gibt es bislang nur für Sendungen bis 1.000 Gramm. Da empfehlen wir eine Erweiterung bis 2.000 Gramm und auf Pressepost. (...)
In diesem Warensendungs-Bereich haben wir ein dynamisches Wachstum. Und wir plädieren dafür, den Teilleistungs-Zugang dort entsprechend zu erweitern."
Gewinnabschöpfung
"Ansonsten machen wir Vorschläge, die sich in der Telekommunikationsregulierung schon lange als abschreckende Elemente bewährt haben: eine Vorteilsabschöpfung. Das heißt, wenn ich mich als marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich verhalte, kann ich die Gewinne zurzeit beibehalten. Die Bußgelder sind sehr gering. Das müssten wir beides ändern."
Amazon spielt (noch) positive Rolle auf dem Paketmarkt
"Amazon sehen wir mit gemischten Gefühlen. Wir beobachten, dass Amazon derzeit auf dem Paketmarkt eine steigende Bedeutung hat und eine positive Rolle spielt, weil es den Wettbewerb weiter belebt, weil es hohe Qualitätsanforderungen setzt, auch im Sinne der Endkundinnen und -Kunden, da es Innovationstreiber ist.
Wir haben aber das ganze große Thema der Internetplattformen und Ökosysteme. Und Amazon ist sicherlich dort in einer sehr komplexen Mehrfachrolle, um es vorsichtig zu formulieren. Sie sind Betreiber der größten Onlineplattform, damit auch einer der größten Nachfrager nach Paketversandleistungen, und können natürlich sehr gut über diese Plattform auch die Nachfrageströme nach Versandleistungen nach ihren eigenen Regeln gestalten, weil sie eben diesen digitalen Marktplatz beherrschen.
Das ist dann eher Aufgabe des Bundeskartellamts, das in den Blick zu nehmen. Denn wir beobachten, dass andere Kartellbehörden schon durchgegriffen haben. (...) Wir warnen nur, dass diese Kippsituation erreicht sein könnte irgendwann, und dass man das besonders kritisch in den Blick nimmt, damit es dabei bleibt, dass Amazon eine positive Rolle auf dem Paketmarkt spielt."